Der Sommer neigt sich dem Ende zu, alle Prüfungen sind abgelegt und es winken die verdienten zwei Wochen Ferien vor Beginn des nächsten Semesters. Ich entschied mich nochmal das schöne Mailand im Norden Italiens zu besuchen, da es gut aus der Schweiz zu erreichen und wegen der Expo besonders besuchenswert ist.
Tag 1: Kultur in Milano
Die Zugfahrt über die Alpen war ich inzwischen fast gewohnt, doch die vier Stunden vergingen langsam im engen Viererabteil ohne Kopfhörer, da ich sie in letzter Minute liegen gelassen habe. Um halb zwei kam ich im Hauptbahnhof von Milano an. Wie erwartet war es schon sehr warm; und das nicht nur über der Erde. In der Metro begleitete mich die heisse und stickige Luft weiter und nach einer weiteren Viertelstunde Laufen kam ich bei meiner Unterkunft an, die ich bei Airbnb gebucht hatte, einer aufstrebenden Webseite für die Vermittlung von Privatwohnungen. Meine Gastgeberin begrüsste mich herzlich und zeigte mir mein Zimmer, der Rest der Wohnung wurde für zwei Nächte geteilt. Mit dem Schlüssel in der Tasche und befreit vom Gepäck erkundete ich die Umgebung.
Direkt um die Ecke lag der Arco della Pace, der Friedensbogen, der an die Wiedervereinigung Italiens im 19. Jhd. erinnert. Direkt daran schliesst sich der Sempione Park an. Auf der anderen Seite des Parks liegt die Burg Sforzesco, die ich nur im Vorbeigehen betrachtete. Weiter ging es mit einer Stadtrundfahrt, um etwas über die sehenswerten Orte zu erfahren.
Auffallend waren mehrere Hochhäuser, die Teil eines modernen Bauprojekts sind. Eines davon ist als vertikaler Garten angelegt und auf jedem Stockwerk fanden sich Pflanzen. Auch sonst soll das Gebäude den neusten Energieeffizienz-Richtlinien entsprechen.
Das Wahrzeichen der Stadt und Touristenmagnet ist der Dom, der in der prallen Sonne nur zu strahlen schien. Auch von innen war die schiere Grösse kaum greifbar, auch wenn ich bereits schönere Kirchen gesehen habe. Grosse Teile sind nur für Gläubige und nicht für die touristischen Besucher geöffnet, in dem Versuch, den Dom nicht voll und ganz zum Tourismusobjekt verkommen zu lassen. Den Anfang eines Gottesdienstes konnte ich noch miterleben, dann erklomm ich das Dach des Doms.
Für die Faulen gibt es einen Aufzug, aber ich zog die 250 Stufen vor, auch wenn ich am Ende etwas ausser Puste geriet. Die Turm-Ornamente wurden gut restauriert und ein anderer Teil befindet sich momentan unter Renovation.
Direkt neben dem Domplatz befindet sich die Galleria Vittorio Emanuele, innerhalb der sich viele Luxusmarkengeschäfte versammelt haben. Neben dem Dom zählt diese zu den bekanntesten Motiven für Postkarten.
Am Abend besuchte ich das Viertel Navigli. Tatsächlich hat Milano einen beschaulichen Kanal, entworfen vom grossen Da Vinci. In einem der zahlreichen Restaurants bestellte ich mir einen Insalata di Polpo und Pasta Carbonara di Mare.
Tag 2: Expo
Der Tagestrip im Juli war einfach zu kurz. Diesmal hatte ich mir einen ganzen Tag eingeplant, um von früh bis spät verschiedene Länder zu besuchen und um mir ein Bild ihrer Lösungsvorschläge zur Frage des Welthungers machen zu können. Sehr interessant war es, die verschiedenen Sichtweisen und Interpretationen der Länder auf diese Frage zu sehen. Während einige nur ihre eigene Esskultur anpriesen, stellten andere innovative Lösungen vor.
Japan
Bevor der eigentliche Rundgang begann, schaute ich mir im Japan Pavillon ein regionales Event an. In dieser Woche hatte die Präfektur Kagawa auf der Insel Shikoku die Ehre, sich und ihre Küche den Besuchern vorzustellen. Ein Koch zeigte uns, wie Udonnudeln hergestellt werden. Natürlich durfte auch ein passendes Maskottchen (うどん脳) nicht fehlen.
Österreich
Dieser Pavillon zählte für mich zu den Ausgefallensten. Der Pavillon ohne Dach war reich gesät mit Pflanzen und diverse Wasserdüsen sorgten mit feinem Nebel für erfrischende Abkühlung. Während die grosse Mehrheit der Pavillons klimatisiert waren (und das war reichlich willkommen bei dem vorherrschenden Wetter), setzte dieses Land auf eine umweltfreundlichere Lösung.
Schweiz
Letztes Mal hat es nicht mal für das Heimatland die Schweiz gereicht, dieses Mal kümmerte ich mich gleich zu Beginn darum. Die Schweizer machen die Dinge gerne anders als der Rest der Welt, solange sie einen Vorteil dabei sehen. Hier beziehe ich mich auf das Einlasskonzept. Statt in der Schlange zu warten und gruppenweise abgefertigt zu werden, bekommt man hier einen Zeitslot zugewiesen und steht dann trotzdem Schlange. Später offenbarte sich aber der Grund der Kontingentierung.
Von einem Schindler Aufzug empor gehoben wurden wir im zweiten von ehemals vier Stockwerken empfangen. Wie kann das sein? All die Verwirrung hängt mit dem Konzept des Turms und der dahinterliegenden Nachricht zusammen. Der Turm besteht aus vier Räumen gefüllt mit kleinen Päckchen. Nach dem Motto „Es hät, solangs hät“ können sich die Besucher nach Belieben an Salzpäckli, Pulverkaffee, Wasser (aus Bechern) und Apfelringen bedienen. Ich muss zugeben, die direkte Verbindung zu den lokalen Gütern der Schweiz teilweise nicht auf Anhieb verstanden zu haben. Aber ist es nicht offensichtlich, dass Pulverkaffee und Trinkwasser (aus Italien) zu den Identifikationsgütern der Schweiz zählen? Spass beiseite. Zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass die erste Etage bereits nach einem Monat nach Eröffnung der Expo aufgebraucht war. Wenn auch nur ein Gut aufgebraucht ist, fährt der Boden ein Stockwerk tiefer; nachgefüllt wird nicht. Die Frage, die sich hier stellte war, inwiefern die Besucher bereit sein würden, zu teilen oder ganz zu verzichten. Und ausserdem, schaffen wir es bis zum letzten Tag? Ich betrat den Turm im zweiten Stock von ehemals vieren, danach kommt nur noch ein Stockwerk – dann ist leer. Aktuelle Hochrechnungen schätzen, dass die Apfelringe der aktuellen Ebene in zwei Wochen aufgebraucht sein würden. Ich konnte nach viel Überzeugungsarbeit ein Schweizer Ehepaar davon überzeugen, eine Packung mit mir zu teilen. Quo vadis?
Auch wenn ich das Konzept gelungen finde, fällt mir doch auf, dass die Schweiz ihr Budget verglichen mit anderen Ländern mehr auf Ware als die Präsentation konzentriert hat. In dem innovationsstarken Land hätte ich mehr Ideen und weniger Kaffee erwartet, der wurde übrigens kaum genommen.
Daneben gab es noch mehrere kleine Ausstellungen über die grössten Schweizer Städte sowie den Gotthard.
Später begegnete ich zwei Alphornbläsern, die eins zum Besten gaben.
Deutschland
Den Aussenbereich und das Restaurant hatte ich mir letztes Mal bereits angesehen. Neu war das aktuell hervorgehobene Bundesland Thüringen.
Klar, ich bin hier stark beeinflusst, wenn ich das schreibe, aber mir gefiel der Deutsche Pavillon fast am Besten. Noch in der Schlange bekam man einen „Pappdeckel“ ausgeteilt, je nach Sprache mit unterschiedlichen Löchern versehen, der im Inneren seine Verwendung preisgeben würde. Im ersten Raum wurde die Funktionsweise des sogenannten „SeedBoards“ erklärt und man wurde in die Entdeckerlandschaft entlassen. Unzählige Stände luden zur Interaktion ein, begleitet mit Infotafeln in drei Sprachen. Hielt man sein Kartonbrettchen auf eine Projektion, wurde sofort eine Animation oder ein Video in der eigenen Sprache gezeigt. Zu Beginn wurden wir darauf hingewiesen, maximal drei pro Station gleichzeitig zu verwenden, aber dies geriet schnell in Vergessenheit, während sich manche Besucher wunderten, wieso das blöde Ding denn jetzt nicht tut. Vorgestellt wurden allerlei Naturphänomene und deren Anwendung sowie Ideen und Umsetzungen zu den Themen Lebensmittelanbau und Ernährung. Weiter luden ein (echter) Kräutergarten und eine interaktive Küche zum Entdecken und Schnüffeln ein. Am Ende gab es eine interaktive Show unter dem Motto „Be(e) active“, bei der sich alle in einem kreisförmigen Saal im Stehen versammeln sollten. Zwei Männer stimmten Stück für Stück ein Lied an und zeigten, wie man mit seinem Pappkarton diverse Geräusche machen konnte (denn die Rückseite war geriffelt). Im Laufe der Vorführung stimmten alle mit ein und im ganzen Saal entstand eine warme Atmosphäre der Zusammenarbeit; und das ganz ohne Sprache. An der Decke hingen derweil zwei Monitore, die die Welt aus der Bienenperspektive zeigten, passend zum Thema.
USA
Sehr stolz präsentierte sich das Land, allerdings fand ich nicht viel dahinter vor. Zugegeben, ich habe nur wenig Zeit hier verbracht, aber das einzige Konzept, dass mir in Erinnerung geblieben ist, ist das der vertikalen Gärten. Nahebei konnte man sich dem amerikanischen Junkfood Streetfood hingeben, in authentischen Wägen gab es Burger, Barbecue und Hot Dogs.
Grossbritannien
Ähnlich wie schon in Österreich fehlte auch bei diesem „Pavillon“ das Dach. Ein Gang inmitten von Wiesen führte zu einer Metallstruktur in Form einer Kugel, die den „Beehive“ (dt. Bienenstock) UK darstellen soll. In dieser Konstruktion wurde mit Tönen und Licht eine atmosphärische Stimmung geschaffen.
China
Auch der chinesische Pavillon war sehr eindrucksvoll. Auf eine Rückschau auf die frühen Kulturen und Traditionen folgte ein sehr rührender Film, der eine chinesische Familie porträtierte, die sich zum Frühlingsfest nach Jahren wieder zusammenfand.
Korea
Der koreanische Pavillon war einer der architektonisch auffallendsten. In der Schlange wartete ich geduldig, während Musik vom Popstar PSY aus den Lautsprechern dudelte. Die (Süd)koreaner sehen die Lösung der Welternährung in ihrer eigenen Essenskultur. In dieser steht die Haltbarmachung durch Fermentation und Einlegen im Vordergrund. Auch das bekannte Gericht Kimchi wird so hergestellt. Untermalt wurde das ganze durch Einsatz von moderner Bildschirmtechnologie.
Thailand
Auch dieser Pavillon erfreute sich grossen Andrangs. Im Wartebereich vor dem Eingang waren ein Dutzend Reissorten ausgestellt, die kurz beschrieben wurden. Jede Sorte hat jeweils besonders gute Nährwerte. Drinnen gab es zunächst einen Imagefilm über die Landwirtschaft des Landes zu sehen, dann konzentrierte man sich auf die beliebte Esskultur und Gerichte. Im letzten Raum wurde erneut ein Film gezeigt, der doch etwas an Propaganda erinnerte. Porträtiert wurde der König Adulyadej, der sich stets für Forschung und Entwicklung der Landwirtschaft einsetzte und Thailand so zu seinem momentanen Fortschritt half.
Spanien
Auch die Spanier präsentierten stolz ihre Küche.
Japan
Auch diesmal waren die Leute bereit über zwei Stunden zu warten bis sie eingelassen wurden. Auch ich gesellte mich wieder dazu, um mir die Ausstellung nochmals in Ruhe anzusehen. Meine Eindrücke vom letzten Mal findet ihr hier.
Für mich zählt der japanische Pavillon immer noch zu den futuristischsten und sehenswertesten der Expo. Die Mischung aus neuster Projektionstechnologie, Augmented Reality und Interaktion mit der speziellen App machte es besonders spannend. Die Ausstellung beschrieb vordergründig den Wert der japanischen Essenskultur Washoku und stellt sie als Grund der hohen Lebenserwartung der Japaner dar. Abgerundet wurde die Ausstellung mit dem „Future Restaurant“, in dem sich die Besucher an Tischen zusammenfinden, sich begrüssen sollen und zusammen das Essen geniessen. Dieser Aspekt des gemeinsamen Speisens wurde in keinem anderen Pavillon so deutlich gemacht.
Die Ausstellung und vor allem das „Future Restaurant“ am Ende lassen einem stets das Mund im Wasser zusammenlaufen, so dass ich auch diesmal anschliessend im Restaurant gelandet bin. Nein, eigentlich war das schon seit Stunden so geplant. Diesmal gönnte ich mir Katsukare, oder japanisches Curry und Tonkatsu-Schweineschnitzel. Dazu kam noch ein Dessert aus Azukibohnen und Dango.
Im Übrigen sprachen nicht alle Stimmen gut über die Expo. Mehrmals fiel mir während meines Aufenthaltes das Graffiti auf, das gegen die Expo wetterte.
Tag 3: Traue nie dem Wetterbericht
Für den letzten Tag war Regen angesagt, deswegen rüstete ich mich diesmal gleich von Beginn an mit einem Regenschirm aus. Im Laufe des Tages stellte sich dann doch heraus, dass ich ihn nicht einmal gebrauchen würde. Zum Frühstücken suchte ich mir eine nahegelegene Panetteria aus. Ein Apfelgebäck und einen Espresso später zog ich weiter Richtung Innenstadt.
Das berühmte Gemälde des letzten Abendmahls von da Vinci konnte ich leider nicht ansehen, denn die Tickets waren monatelang vorher hoffnungslos ausgebucht. Trotzdem stattete ich der Kirche Santa Maria delle Grazie einen Besuch ab und fand unweit eine Ausstellung, die sich eingehend mit dem Gemälde und seinem Künstler beschäftigte. Die Ausstellung wartete zwar nicht mit Exponaten, dafür aber mit interaktiven Inhalten auf. Durch Handgesten öffneten sich Bücher und Schriftrollen auf projizierten Flächen und eine englischsprachige Stimme erzählte über Technik, Bildkomposition und Hintergründe.
In der Nähe befand sich die Kirche San Maurizio al Monastero Maggiore, die auch schöne Wandbilder bereithielt, aber nicht annäherungsweise so viel Bekanntheit zu Teil wurde. Weiter ging es in Milanos Luxus-Shoppingmeile. Das sogenannte goldene Viereck beinhaltet dutzende Boutiquen, Uhrengeschäfte und Modelabels, die statt mit Preisschildern mit Sicherheitspersonal ausgestattet sind. Was für Zürich die Bahnhofstrasse mit Sprüngli oder Läderach ist, ist für Milano die Monte Napoleone und die Confiserie Coya. Dort drückte ich mir die Nase vor den leckeren Torten platt.
Zum Mittag besuchte ich das Restaurant Zaza Ramen, wo Ramen mit italienischem Touch serviert wird. Aufmerksam geworden bin ich durch ein Video vom World Ramen Report. Das Misoramen war sehr würzig und wurde mit italienischer Pasta zubereitet – eine sehr gelungene Kombination, wie ich fand.
Langsam wurde es Zeit, meine Schlafgelegenheit zu räumen, deshalb machte ich mich auf den Weg und entschied, dabei kurz das nahegelegene chinesische Viertel zu durchqueren. Leider entsprachen die Strassenzüge überhaupt nicht meinen Erwartungen von anderen Städten – statt Restaurants säumten die Strassen nur „Geschäfte“, die an Lagerverkäufe erinnerten, gefüllt mit Plagiaten von Handtaschen.
Meine Gastgeberin machte mir noch einen Kaffee, bevor sie mich gehen liess. Über Airbnb fand ich bisher stets zu gastfreundlichen und netten Gastgebern, auch wenn die Preise teilweise nicht mal weit unter den Hotelpreisen liegen.
Meinen Reiserucksack geschultert zog ich weiter durch Milano. Erst einmal machte ich eine kurze Pause im Sempione Park, dann besuchte ich das Viertel Breva. Auf der Suche nach dem botanischen Garten lief ich an einem Filmset vorbei, leider wurde aber nicht gedreht. Nur die Spezialwagen und die typischen Stühle wiesen darauf hin. Gut versteckt hinter einer Schranke und dem Bulgari Hotel fand ich schliesslich den Eingang in den Garten. Dort setzte ich mich eine Weile hin und lies, nur um festzustellen, dass ich inzwischen fünf Mal von Mücken gestochen wurde. Daraufhin nahm ich reiss aus und flüchtete mich in die nächste Tram.
Manche mögen die ikonischen Strassenbahnen von Lissabon kennen, doch auch in Milano verkehren recht ähnlich aussehende historische Strassenbahnen. Die gelb lackierten Fahrzeuge teilen sich die Gleise mit ihren kleinen Brüdern aus den letzten Jahren. Ich landete in einer mit dem Baujahr 1802.
Vom Dom aus nahm ich dann die Metro zum Bahnhof. Der zweitgrösste Bahnhof Italiens, nach Rom, wirkte von aussen wie innen sehr imposant. Wie auch in Frankreich werden die Abfahrtsgleise erst kurz vor Abfahrt angekündigt und der Zugang zu den Gleisen war beschränkt durch eine Kontrolle. Auch der „Boarding status“ und das Ausrufen von abfahrenden Zügen erinnerte doch stark an einen Flughafen.
Der Schweizer Zug der SBB wartete bereits, es war ein modernes Modell mit elektronischen Sitzanzeigen und Monitoren in den Wägen. Dem Abendlicht entgegen fuhr ich langsam den Alpen entgegen. Vier Stunden später stieg ich in Zürich aus.