Ich möchte euch heute eine Website vorstellen, mit der ich nun seit einem Jahr sehr erfolgreich Japanisch lerne: Wanikani. Vor allem, wieso diese Seite so anders als die anderen und ob sie etwas für euch ist, möchte ich in diesem Beitrag beleuchten.
Lernen mit Krabbe, Krokodil und Schildkröten
Wanikani (鰐蟹) steht wörtlich übersetzt für Schildkrötenkrabbe. Die englischsprachige Seite hat seinen eigenen Humor, was man auch schnell an seinem Maskotchen merkt. Statt Vokabeln zu lernen ist das erklärte Ziel zudem Schildkröten zu verbrennen.
Auch das Lernkonzept ist anders als alle, die ich bis dahin kennen gelernt hatte. Früher gab es für mich das Lehrbuch, dass Lektion für Lektion neue Grammatik und damit neue Vokabeln einführte. Diese waren schon lange nicht mehr zeitgemäss und kein Japaner drückt sich so wie beschrieben aus. So habe ich es lange gemacht, mit meinem damaligen Buch war ich allerdings nie wirklich zufrieden. Andererseits gab es immer häufiger Websites, bei denen man sich schlau lesen konnte. Ganze Listen mit wichtigen Vokabeln sind frei zugänglich. Für dauerhafte Motivation hat das aber nie gereicht, aber es ging.
Nur ein Problem stellte sich immer: Wie lerne ich nun die gut 2000 wichtigsten Kanji?
Auf der Hauptseite von Wanikani werden Lernfortschritt und zu lernende Wörter angezeigt.
Exkurs: Kanji
Vermutlich habe ich schon alle nicht japanisch-interessierten Leser an dieser Stelle abgehängt, aber ich erinnere nochmal kurz an die Funktionsweise der japanischen Schrift. Anders als in Europa und Amerika werden in Japan sowie in China die sogenannten Kanji (漢字、chinesiche Schriftzeichen) benutzt. Sie verkörpern als Abfolge von Strichen ein Wort oder ein Konzept. Für den alltäglichen Gebrauch wird das Verständnis von rund 2000 Kanji empfohlen. Alle Kanji lassen sich in kleinere Einheiten, genannt Radikale, unterteilen. Erkennt man diese Untereinheiten, fällt das Wiedererkennen und lernen deutlich einfacher.
Im Lernmodus werden die Radikale mit angezeigt.
Ein anderer Weg: SRS
Vielleicht erinnert ihr euch noch an den Vokabelkasten aus eurer Schulzeit. Wir hatten so etwas zumindest eine Zeit lang benutzt, leiden konnte ich sie aber nie.
Die Idee war in etwa die folgende: Vokabelkärtchen sind in diesem Kasten in fünf Fächern angeordnet. Das Erste ist das mit Abstand grösste und enthält alle neue Vokabeln, sowie die nicht erinnerten. Bei jeder richtigen Antwort wandert das Kärtchen ein Fach nach hinten und wird danach erst zu einem späteren Zeitpunkt wiederholt. Je besser man sich also an das Wort erinnern konnte, desto seltener musste es wiederholt werden.
Auf diesem Prinzip baut Wanikani, es trägt hier aber den viel schöneren Namen SRS (Spaced Repetition System).
Am Anfang „lernt“ man stückweise Radikale, Kanji und Vokabeln und dazu Merkhilfen zu Bedeutung und Lesung. Hat man Bedeutung und Lesung behalten, wandern sie in die Warteschlange. Zum ersten Mal tauchen sie dann nach vier Stunden wieder auf. Je nach Lernfortschritt wandern die Wiederholungen immer weiter in die Ferne. Aus Stunden werden Tage und Wochen. Hat man das Wort neun Mal in Folge richtig gewusst, so sieht man es erst in sechs Monaten wieder.
Früher kannte ich Kanji lernen nur auf diese Weise: Stures Auswendig lernen. Häufige vorkommende, aber kompliziert aussehende Kanji versuchte ich durch abschreiben zu merken, aber über die Zeit vergas ich unweigerlich, was einige von ihnen eigentlich bedeuteten. Auf die Dauer wurde es frustrierend, weil ich nie richtig zum Wiederholen kam und auch das Lernen immer wieder aussetzte, da es genug anderes zu tun gab. Auch ein Abreisskalender mit Kanji verschaffte keine Besserung.
Jetzt mache ich es zum Glück anders. Wanikani baut zunächst mit Radikalen den Bausatz für alle Kanji auf. Die Radikale werden jeweils mit etwas Abstraktem aufgrund ihres Aussehens assoziiert, um sie sich merken zu können, wie es auch in der Heisig-Methode gemacht wird. Das Erste und Einfachste ist zum Beispiel ein waagrechter Strich. Aus den Radikalen werden dann zunächst sehr einfache Kanji zusammengesetzt und mit passendem Vokabular in Verbindung gebracht. Mit neu freigeschalteten Levels tauchen neue Radikale auf und damit können neue Kanji konstruiert werden. So erweitert sich der Wortschatz jedes Mal.
Ein weiteres Problem sind die unzähligen Lesungen einiger Kanji. Manche wie 生 besitzen an die zehn Lesungen, die aber teils nur sehr selten vorkommen. Hier wird das Problem sehr elegant gelöst: Es wird nur die häufigst vorkommende Lesung gelernt, falls später Wörter mit weiteren vorkommen, werden diese erst dann mit der Vokabel gelernt. So reicht in der Regel eine Kun’yomi und eine On’yomi pro Kanji aus.
Im Abfragemodus werden die Eingaben bei Lesungen direkt in Hiragana umgewandelt.
In zwei Jahren zum Ziel
Wanikani setzt auf langfristigen Erfolg. Woche für Woche schaltet man neue Levels und damit neue Radikale, Kanji und Vokabeln frei. Die zu wiederholenden Zeichen und Wörter kommen stets dazu und sorgen schnell dafür, dass sich so einiges ansammelt. Klar wird schnell: Für dieses Hobby muss man sich Zeit nehmen. Ein oder zwei Tage Abwesenheit werden schnell bestraft: Schnell ist die Wiederholungswarteschlange auf über 100 Einträge gewachsen. Das ist in meinen Augen gleichzeitig der grösste Vorteil und Nachteil. Ist man fleissig und motiviert dabei, so kann man über den Tag hinweg immer wieder einige Wiederholungen machen und so kleine Pausen der Langeweile zum Beispiel beim Pendeln füllen. Dagegen wird es schnell frustrierend, wenn man nicht aktiv dabei ist. Jedem ist die Entscheidung selbst überlassen, wie er lernen möchte.
Auch von Unterwegs lässt sich gut lernen.
Nach 50 Levels hat man dann das grosse Ziel erreicht: 1700 Kanji und 5000 Vokabeln aktiv im Gedächtnis behalten, sie lesen und verstehen zu können. Der Weg dahin ist lang und beschwerlich. Nach genau einem Jahr bin ich auf Level 23, also knapp der Hälfte angekommen.
Alles hat zwei Seiten
Natürlich will ich die Nachteile des Dienstes nicht ganz verschweigen. Ein Grund ist sicherlich für viele der Preis. Ich kann verstehen, dass niemand gerne Geld ausgibt, um etwas zu bekommen, dass er woanders auch kostenlos bekäme. Ich denke aber, dass man für Hobbies und Weiterbildungen, wozu auch Sprachen lernen zählt, einen finanziellen Beitrag zu zahlen bereit sein sollte. Wanikani schlägt monatlich mit 8 US$ zu Buche, was ca. 70 € im Jahr entspricht. Ein recht kleiner Beitrag für meine bisherigen Fortschritte finde ich.
Nach dem Abfragen gibt es eine Statistik der erinnerten und vergessenen Wörter.
Weiterhin ist sicherlich auch der Lernmodus nicht für Jedermann gemacht. Viele lernen ungern mit der Radikal-Methode, sondern lernen ihre Kanji lieber Strich für Strich auswendig. Auch sind die Eselsbrücken teils so absurd, dass ich mir eigene ausdenken muss.
Fazit: Der Tüchtige wird belohnt
Wanikani ist eine tolle Anlaufstelle, um sich der Mammutaufgabe des Kanji-lernens zu stellen. Wer bereit ist, einen Teil seiner Zeit für sein Hobby zu opfern bereitzustellen, wird mit Erfolg belohnt. Nicht immer ist alles intuitiv, aber guter Rat ist nicht schwer zu finden. Im internen Forum lassen sich auftretene Probleme schnell lösen.
Die, die ich überzeugen konnte, können Wanikani kostenlos testen. Die ersten zwei Level sind kostenlos und es kann unverbindlich probiert werden, ob das System einem zusagt.
Wanikani ist momentan in einer geschlossenen Beta-Phase, wird also noch weiterentwickelt. Anmelden könnt ihr euch hier: http://www.wanikani.com/
Ich muss zurück an die Arbeit, ich habe schon wieder 40 Vokabeln zu wiederholen.
Find die Seite auch gut. ^^
Misa Pürro